Mut zu leben – Eine wahre Familiengeschichte
Die Geschichte von Helena Baloun-Demers Familie während des Nationalsozialismus beginnt im Banat, einem kleinen Landstrich des ehemaligen Jugoslawien und führt über Palästina nach Brasilien und schließlich nach Deutschland. Sie berichtet von Verlust, Mut, Religions- und Nationalitätswechseln und einer Ehescheidung aus Vernunftgründen, alles um der Verfolgung als Juden zu entkommen. Am 24. Mai 2019 berichteten Helena Baloun-Demer und ihre beiden Kinder Isabel und Dennis in Lohmar von der tragischen und abenteuerlichen Geschichte ihrer Familie.
VHS: Helena, wann wurde dir von der abenteuerlichen Geschichte eurer Familie während des Dritten Reiches erzählt?
Helena: Es gab keinen bestimmten Moment. Immer wieder einmal wurden Passagen dieser Erlebnisse erzählt. Das aber nur innerhalb unserer Familie, nicht nach außen.
VHS: Warum habt ihr euch entschieden, die Geschichte öffentlich zu erzählen?
Helena: Es gab immer Gelegenheiten, bei denen meine Mutter über die Vergangenheit berichtete und viele fragten sie, ob sie nicht ein Buch darüber schreiben möchte. Das tat sie leider nicht und als sie mit dem Alter anfing vergesslich zu werden, dachte ich, wir müssen uns gemeinsam hinsetzen und diese Geschichte chronologisch aufschreiben, damit sie nicht einfach vergessen wird. Für mich bedeutet das Respekt für meine Vorfahren und alle Opfer des Terrors der NS-Zeit.
VHS: Isabel und Dennis, kennen eure Freunde und Kommilitonen die Geschichte eurer Familie? Wissen sie, dass ihr darüber in Vorträgen berichtet? Wenn ja, wie haben sie reagiert?
Dennis: Ich erzähle gerne über meine Familiengeschichte, die von meiner Mutter als auch die Geschichte der Familie meines Vaters. Manchmal führt es dazu, dass, nachdem ich meine Familiengeschichte erzählt habe, Freunde und Bekannte auch ihre Familiengeschichte erzählen. Da gewinnt man einen persönlichen Einblick in Geschichte allgemein, was mich sehr interessiert.
Isabel: Ja, ich habe die Geschichte bereits vielen meiner Freunde erzählt, die mich erstaunt gefragt haben, warum ich so europäisch aussehe, obwohl ich Halbbrasilianerin bin. Wenn ich ihnen dann die ganze Hintergrundgeschichte erzähle, reagieren sie in der Regel sehr interessiert und begeistert darüber, wie wir dieses Familienprojekt aufgezogen haben.
VHS: Isabel und Dennis, wie ist es für euch beide, vor Publikum die Geschichte eurer Großeltern und Urgroßeltern zu erzählen?
Dennis: Die Zerrissenheit meiner Großeltern als auch meiner Urgroßeltern habe ich nicht erlebt, mein Leben ist ein sicheres, ich habe keine Verfolgung oder Diskriminierung erfahren. Es fühlt sich schon sehr seltsam an von der Ermordung meines Urgroßvaters zu erzählen, der dies alles erfahren hat.
Isabel: Es ist eine ganz andere Art sich mit Geschichte auseinanderzusetzen wenn man einen persönlichen, familiären Bezug dazu hat. Und es ist schön zu sehen, dass nicht nur wir von unserer Familiengeschichte betroffen sind, sondern auch andere zum Nachdenken anregen können.
VHS: Welche Frage wird euch von Zuhörern am häufigsten gestellt?
Helena: Oft und gerade bei jungen Menschen werde ich nach den Gefühlen gefragt. Wie ich mich hier in Deutschland fühle und als Nachfahre von Opfern, die sowas Schreckliches erlebt haben.
Isabel: In welcher Sprache wir drei miteinander reden.
VHS: Welche Reaktionen von Zuhörern sind euch besonders in Erinnerung geblieben?
Helena: Die Frage, ob sowas wieder hier bei uns passieren kann. Wie wir auch in unserer Geschichte berichten, ist die Verfolgung langsam gekommen und bis zu den Ermordungen haben sich die Ereignisse schleichend entwickelt. Die Geschichte unserer Familie steht für Millionen anderer Geschichten von Menschen, die Opfer dieses Regimes wurden. Ich bin davon überzeugt, dass man die Vergangenheit kennen muss, um in die Zukunft schauen zu können. Das soll ein Zeichen des Nichtvergessens sein. Ein Zeichen für etwas, dass so nie wieder geschehen darf.